Kontinuität russischer Staatlichkeit vom Mittelalter bis heute: Wie eine Ausstellung patriotische Botschaften bis in die entferntesten Winkel des Landes trägt.
Die Ausstellungshalle Manege
Im Jahr 1946 als Wladimir Gundjajew geboren, wurde Kirill 2009 zum Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche gewählt. Als solcher setzte er sich für ein stärkeres soziales Engagement der Kirche und eine bessere Klerikerausbildung ein. Gleichzeitig geriet er aufgrund der Annäherung der Kirche an den Kreml und mehrerer Korruptionsskandale in die Kritik.

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Im November 2013 wird in der Moskauer Manege (russ. manesh), ein paar Schritte vom Kreml entfernt, eine neue Ausstellung eröffnet. Sie trägt den Titel Orthodoxe Rus – Meine Geschichte und wird schnell zum Publikumsmagneten. Die Schau bildet den Auftakt der vierteiligen, multimedialen Ausstellungsreihe Russland – Meine Geschichte. Diese präsentiert ein patriotisches Bild der Geschichte Russlands von den Anfängen bis in die Gegenwart. In fast allen größeren russischen Städten gibt es mittlerweile historische Themenparks gleichen Inhalts.

Bereits die erste Schau zieht hunderttausende Besucher an. Schulgruppen, Lehrer und Geschichtsinteressierte, orthodoxe Gläubige, aber auch einfache Passanten strömen in die Manege. Allen voran kommen Präsident Putin und Patriarch Kirill: „Mit Hochachtung und Dank für den Einsatz zum Wohle des Vaterlandes“, schreibt der Staatschef in das Gästebuch. Die Idee einer 1000-jährigen Geschichte russischer Staatlichkeit gehört zum Kern des staatlichen Symbol-Repertoires der Ära Putin.
Der erste Teil der Ausstellungsreihe Orthodoxe Rus – Meine Geschichte widmet sich der Geschichte der Romanow-Dynastie. Das russische Staatsfernsehen feiert die Präsentation bereits wenige Tage nach der Eröffnung als eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse des Jahres 2013. Die Manege ist jeden Tag bis Mitternacht geöffnet. Täglich kommen zehntausende Besucherinnen und Besucher. Am Ende sollen es circa 300.000 gewesen sein. Vor dem Ausstellungsgebäude bildet sich eine riesige Warteschlange über den ganzen Manegeplatz, fast wie zu Sowjetzeiten vor dem Lenin-Mausoleum.
Text: Susan Stewart, Foto: Max Sher, 5. Oktober 2021
Errichtet: 1817–1825
Architekt: Joseph Bové (1784–1834)
Ursprüngliche Nutzung: Reitakademie für Pferdeparaden sowie für Offiziersübungen
Nutzung seit 1831: Ausstellungshalle
Vor dem Ausstellungsgebäude bildet sich eine riesige Warteschlange über den ganzen Manegeplatz, fast wie zu Sowjetzeiten vor dem Lenin-Mausoleum.
Foto: Besucher der Ausstellung, 2013 / Sergey Pyatakov/Sputnik
Pravoslavie.ru ist ein Internetportal der russisch-orthodoxen Kirche, das 1999 gegründet wurde. Es wird auf Russisch, Englisch, Griechisch und Serbisch geführt und ist auf diversen Kanälen der sozialen Medien vertreten, u. a. auf Instagram und Youtube. Pravoslavie.ru behandelt Themen zur Orthodoxie – darunter zur Kirche selbst, Geschichte und Kultur, zu aktuellen Neuigkeiten und zum Familienleben. Das Portal ist auf das Sretenski-Kloster in Moskau registriert. Der Chefredakteur ist seit der Gründung Bischof Tichon.
Diejenigen, die es in die Ausstellung geschafft haben, scheinen begeistert. Das kann man zumindest den Gästebüchern sowie einer selektiven Auswahl an Stimmen entnehmen, die das orthodoxe Internetportal pravoslavie.ru dokumentiert. Sergej, ein Dozent der Moskauer Priester-Akademie berichtet einem Reporter: „Als ich in der Schlange wartete, wollte ich mehrmals … dieses Unternehmen abbrechen. Aber nachdem ich eingelassen wurde, begriff ich, dass ich nicht umsonst angestanden habe ... Ich war von der Organisation dieser Ausstellung, von dem Niveau der Vorbereitung tief beeindruckt. Die historischen Ereignisse werden hier lebendig, sie werden zur Realität“.

Viele Besucher, die zu Wort kommen, teilen die zentrale Botschaft der Ausstellung. Sie sehen Russlands Vergangenheit authentisch repräsentiert und sind stolz auf das Land. Der Grundtenor lautet: Wir müssen die Geschichte unseres Landes kennen, damit wir wissen, wer wir sind. Dies gelte vor allem für die nächste Generation.

In der Presse wird die Ausstellung nicht nur gelobt. Die Kritik richtet sich auf den Ausstellungsort, den selektiven Charakter der präsentierten Erzählung, den Verzicht auf authentische Exponate, die Auswahl der Bilder unbedeutender Künstler und auf Ausstellungselemente mit Glitzereffekten, die an „Weihnachtsbäume chinesischer Produktion erinnern“.
Die multimediale Ausstellungsreihe Russland – Meine Geschichte präsentiert dem Publikum ein patriotisches Bild der Geschichte Russlands von den Anfängen bis in die Gegenwart.
Foto: Besucher bei der Eröffnung der Ausstellung Russland – Meine Geschichte, 2016 / © Michail Syriza/Kommersant
Der arbeitsfreie Feiertag wurde im Jahr 2005 eingeführt – als Ersatz für den Tag der Oktoberrevolution. Er wird am 4. November begangen und bezieht sich auf ein Ereignis aus dem Jahr 1612, als ein Volksaufstand die polnisch-litauischen Besatzer aus dem Moskauer Kreml vertrieb. Der Feiertag soll den Zusammenhalt der russischen Gesellschaft angesichts äußerer Bedrohungen symbolisieren – über ethnische und religiöse Grenzen hinweg.

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Auf die Ausstellung über die Romanows folgt 2014 die Schau über die Dynastie der Rjurikiden und 2015 die Exposition 1917–1945. Von den großen Erschütterungen zum großen Sieg. Die Multimedia-Präsentationen in der Manege stets am Tag der nationalen Einheit (4. November) eröffnet. Die Veranstalter scheuen weder Geld noch Mühe, um ein breites Publikum zu erreichen.
Triumphzug durch Russland
Promotionsvideo der Ausstellung auf dem WDNCh-Gelände / YouTube/Themenpark Russland – Meine Geschichte
In den 1930er Jahren als Landwirtschaftsausstellung in Moskau angelegt, wurde die Schau 1959 zur dauerhaften Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR. Auf dem weitläufigen Gelände der WDNCh stellten sich die Teilrepubliken in Pavillons vor – es entstand ein idealtypisches Abbild des Staates im Kleinen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde das Areal zunächst als Vergnügungspark und für den Verkauf von Konsumgütern genutzt, bis es 2014 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

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Ab 2015 zieht die Ausstellung von der Manege auf das Gelände der WDNCh um, ein Ort im Norden Moskaus, wo zu Sowjetzeiten landwirtschaftliche und industrielle Errungenschaften aus den Sowjetrepubliken zu bestaunen waren.

Die Einrichtung des historischen Themenparks Russland – Meine Geschichte auf dem Gelände der WDNCh ist jedoch erst der Anfang. Auch in anderen Städten Russlands schießen Ausstellungshallen gleichen Namens wie Pilze aus dem Boden. Im Dezember 2020 gibt es landesweit bereits 23 weitere Standorte, in denen die Moskauer Ausstellung jeweils durch eine lokale Komponente ergänzt wird. Möglich wird dies, weil die Präsentation fast ausschließlich aus digitalen Exponaten besteht und weitgehend auf authentische historische Objekte verzichtet. Dank multimedialer Präsentation können Inhalte jederzeit angepasst und kopiert werden. Über die landesweite Verbreitung der Ausstellung soll einem breiten Publikum, nicht zuletzt Schulklassen, ein einheitliches, patriotisches Geschichtsbild vermittelt werden.
Auch in anderen Städten Russlands schießen Ausstellungshallen gleichen Namens wie Pilze aus dem Boden. Im Dezember 2020 gibt es landesweit bereits 23 weitere Standorte.
Die Besucherzahlen sind auch deswegen beeindruckend, weil vielerorts Schülerinnen und Schüler im Rahmen einen Ausfluges durch die Ausstellung geführt werden, der in den Lehrplan integriert ist. Der ausschließlich digitale Charakter der Ausstellung soll Modernität ausstrahlen und ein junges Publikum ansprechen. Die Orte, an denen sie gezeigt wird, heißen „historische Parks“, was den Unterhaltungsfaktor der Unternehmung unterstreicht.
Siehe z. B. Waldman, I A./Krassilnikowa, E. I./Naumow, S. S. (2019): Istoričeskij park „Rossija – moja istorija“: regionalnyj kontent versus ideologija i smysly osnovnoj exposizii multimedinogo proekta, Prepodavatel’ XXI vek, 3/2019, S. 219-237
Schnirelman, W. A. (2018): Istorija Rossii dlja naroda: vystavki v moskovskom Maneže v 2013—2016 gg., in: Istoričeskaja expertisa, № 3 (16), S. 92-116. Ich möchte Belinda Nüssel für ihre Hilfe bei den Recherchen für dieses Projekt ganz herzlich danken.
Die Stiftung für humanitäre Projekte (russ. Fond gumanitarnych proektov) wurde 2013 von ihrem Leiter Ivan Jezin, einem ehemaligen Gazprom-Berater, gegründet. Die Stiftung sieht ihre Aufgabe in der „Verbreitung des kulturellen und historischen Wissens in Russland“. Sie wird aus staatlichen Fördermitteln, durch Spenden und eigens erbrachte Einnahmen finanziert. Zu den Partnern der Stiftung zählen u. a. die russische Präsidialadministration, das russische Kulturministerium sowie das Moskauer Patriarchat.
Gemeint ist Tichon (Schwekunow, geb. 1958) – Bischof der Russisch-Orthodoxen Kirche und Vorsteher des Sretenski Klosters im Zentrum Moskaus. Der Geistliche wird dem engsten Kreis Putins zugerechnet und gilt als der Beichtvater des Präsidenten.
Gazprom ist das international größte Erdgasunternehmen: Auf Gazprom entfallen rund 69 Prozent der russischen und 12 Prozent der weltweiten Gasförderung. Die Aktienmehrheit gehört dem russischen Staat. Das Unternehmen beschäftigt knapp eine halbe Million Menschen und ist der größte Gas-, Strom-, und Wärmelieferant in Russland.

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Siehe hierzu auch Stewart, Susan (2020): Geschichte als Instrument der Innen- und Außenpolitik am Beispiel Russlands: Wie die Gegenwart die Vergangenheit beeinflusst. SWP-Studie 2020/S 22, November 2020, insbesondere S. 11-12
Die Idee der Ausstellungsreihe Russland – Meine Geschichte geht auf die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) beziehungsweise den Patriarchalischen Rat für Kultur zurück. Seit 1995 organisierte die ROK unterschiedliche Ausstellungen unter dem Titel Orthodoxe Rus, 2011 mündeten diese in die große multimediale Schau in der Moskauer Manege Russische Orthodoxe Kirche – Ergebnisse der letzten zwanzig Jahre: 1991–2011. Diese wurde später zum Vorbild für die historischen Themenparks. Eine Schlüsselfigur war in der Anfangsphase Bischof Tichon, Leiter des Patriarchalischen Rats für Kultur, der oft als Putins Beichtvater und sein spiritueller Ratgeber bezeichnet wird.
Wie alles begann: Kooperation von Kirche, Staat und Oligarchen
Die Ausstellung ist ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet der Geschichtspolitik.
Foto: Patriarch Kirill, Wladimir Putin, Bischof Tichon und weitere hochrangige Politiker bei der Besichtigung der Ausstellung am 4. November 2013 / © kremlin.ru unter CC BY 4.0
Für eine Erläuterung des Weges von einem hauptsächlich kirchlichen Fokus hin zu einer politischen Darstellung siehe Klimenko, Ekaterina V. (2020): Building the Nation, Legitimizing the State: Russia — My History and Memory of the Russian Revolutions in Contemporary Russia, in: Nationalities Papers, 49 (1), S. 72-88
Die Ausstellung ist somit nicht zuletzt ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet der Geschichtspolitik. Die Rolle der Kirche macht sich auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Ausstellung bemerkbar. Allerdings scheint es, als habe die Betonung der Orthodoxie im Laufe der Jahre etwas abgenommen. Die Hauptbotschaft zielt nun in eine andere Richtung: Im Mittelpunkt steht jetzt die 1000-jährige Geschichte russischer Staatlichkeit, das heißt, die Kontinuität der russischen und sowjetischen Geschichte, die sich zu einem großen Ganzen fügt. Mit der Kontinuitätsthese geht einher, dass markante Brüche in der Geschichte Russlands, wie etwa die Februar- und Oktoberrevolution, als negativ konnotierte Zäsuren präsentiert werden.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die 1000-jährige Geschichte russischer Staatlichkeit, das heißt die Kontinuität der russischen und sowjetischen Geschichte, die sich zu einem großen Ganzen fügt.
Foto: Kuppelkino in der Ausstellung auf dem Gelände der WDNCh in Moskau / © Maxim Blinow/Sputnik
Die Kontinuitätsthese kommt der derzeitigen russischen Elite insofern entgegen, als sie die heute Herrschenden in eine Reihe von Herrscherinnen und Herrschern eines mächtigen und unerschütterlichen Staates stellt. So wird die heutige Führung mit den Siegen und Erfolgen früherer Jahrhunderte in Verbindung gebracht. Hierbei werden Zeiten wie die sogenannte Smuta, oder Zeit der Wirren, gern ausgeblendet. Die Periode der Smuta (1598–1613) fällt zeitlich genau zwischen Epochen, die die ersten zwei Ausstellungen behandeln, also zwischen jene der Rjurikiden und jene der Romanow-Dynastie. So wird eine Phase, in der die Existenz des russischen Staates substantiell bedroht war, komplett ausgeblendet und stattdessen die Kontinuität russischer Staatlichkeit betont.
Im Fokus: 1000 Jahre russische Staatlichkeit
Der Bevölkerung wird eine eklektische Auswahl von identitätsstiftenden Symbolen und historischen Ereignissen präsentiert.
Der Akzent auf die historische Kontinuität bietet der herrschenden Elite noch weitere Vorteile. So ist es möglich, der Bevölkerung eine Auswahl von identitätsstiftenden Symbolen und historischen Ereignissen aus ganz unterschiedlichen und scheinbar gegensätzlichen Epochen der eigenen Geschichte zu präsentieren. Hierzu gehören etwa der Sieg über die polnisch-litauische Besatzungsmacht in Moskau 1612, der heute am 4. November gefeiert wird und der Tag des Sieges am 9. Mai, der an das Ende des Großen Vaterländischen Krieges 1945 erinnert.

Eng verbunden mit der These staatlicher Kontinuität ist das Selbstverständnis Russlands als Großmacht in Geschichte und Gegenwart. Die Betonung russischer Hegemonie in der Vergangenheit wird dabei verknüpft mit außenpolitischen Botschaften an die eigene Bevölkerung und an externe Akteure: Russland will auf der internationalen Bühne wieder als Großmacht mit eigenen nationalen Interessen respektiert werden. Aus Sicht der herrschenden Elite steht Russland aus historischen Gründen eine hegemoniale Rolle im östlichen Europa zu. Die Kontinuitätsthese der russischen und sowjetischen Geschichte erlaubt es somit, innen- und außenpolitische Botschaften zu formulieren, die sich scheinbar aus dieser Vergangenheit ableiten.
Die Betonung russischer Hegemonie in der Vergangenheit wird verknüpft mit außenpolitischen Botschaften: Russland will auf der internationalen Bühne wieder als Großmacht mit eigenen nationalen Interessen respektiert werden.
Foto: Besucher auf der Ausstellung in Sankt Petersburg, 2014 / Igor Russak/Sputnik
Als Farbrevolutionen bezeichnet man eine Reihe friedlicher Regimewechsel in post-sozialistischen Ländern. Diese wurden unter anderem durch gesellschaftliche Großdemonstrationen gegen Wahlfälschungen ausgelöst. Aufgrund der Farben beziehungsweise Blumen, mit denen die Bewegungen assoziiert werden, ist der Sammelbegriff Farbrevolutionen entstanden. Stellt der Begriff für die politische Elite in Russland eine Bedrohung ihrer Macht dar, verbinden oppositionelle Kräfte damit die Chance auf einen Regierungswechsel.
Schließlich vermittelt die Ausstellung die Botschaft, dass der Staat die treibende Kraft der Geschichte war und ist, vor allem in Gestalt von Herrschern und Herrscherinnen wie zum Beispiel den russischen Zarinnen und Zaren. Dies heißt im Gegenzug, dass sich die Gesellschaft dem Staat immer unterzuordnen hat und als eigene Kraft historischer Entwicklung keine Rolle spielt. Diese Auslegung der Geschichte passt zur offiziellen Interpretation der sogenannten Farbrevolutionen, die etwa in Georgien und der Ukraine Mitte der 2000er Jahren stattfanden. Hier, wie in zahlreichen anderen Fällen von Protest (auch in Russland selbst), wird von der russischen Führung behauptet, ausländische Akteure (in der Regel Staaten) unterstützten diese Proteste moralisch sowie finanziell und steuerten sie aus der Ferne. Gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren wird dagegen die Fähigkeit abgesprochen, historischen Wandel von innen heraus anzustoßen.
Der Staat als Motor der Geschichte
Die Ausstellung vermittelt die Botschaft, dass der Staat die treibende Kraft der Geschichte war und ist, und die Gesellschaft sich dem Staat immer unterzuordnen hat.
Zahlreiche der in der Ausstellung präsentierten Erzählungen werden von russischen Historikerinnen und Historikern infrage gestellt. Kritik kommt zum Beispiel von Organisationen wie der Freien Historischen Gesellschaft. Bemängelt wird sowohl die Überbetonung staatlicher sowie kirchlicher Akteure als auch der Fokus auf heldenhafte Ereignisse der eigenen Geschichte. Moniert wurden auch spezifische Momente, wie etwa angebliche Zitate von historischen Figuren, die durch historisches Material nicht belegt sind. Die Macher der Ausstellung haben Kritik zum Teil aufgegriffen aber selten aus dem Weg geräumt.

Das patriotische Geschichtsbild von der heroischen 1000-jährigen Geschichte Russlands scheint jedoch bei vielen Menschen anzukommen. Darauf deuten die zahlreichen Stimmen von euphorischen Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung Russland – Meine Geschichte hin: Die Ausstellung vermittle Stolz und Ehrfurcht vor der eigenen Geschichte. Es erfülle sie mit Begeisterung, „welch eine Großmacht Russland war und welch eine Großmacht es bis auf den heutigen Tag bleibt“, sagt eine Schülerin namens Natascha, der der Besuch in der Manege sichtlich gefallen hat.
Susan Stewart
Susan Stewart ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Innen- und Außenpolitik der Ukraine, die EU-Russland- und die deutsch-russischen Beziehungen sowie die Östliche Partnerschaft der EU. Stewart wurde im Fach Politikwissenschaft an der Universität Mannheim promoviert und hat außerdem ihren Bachelor-Abschluss in Slawistik an der Harvard-Universität sowie einen Master in internationalen Beziehungen an der Fletcher School der Tufts-Universität gemacht.

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