In der offiziellen Rhetorik rund um Minin und Posharski und die Geschichte der Smuta geht es immer wieder um drei große Motivstränge: die lange Tradition eines starken russischen Staates, die tapfere Verteidigung des Vaterlandes gegen äußere Feinde und die Sammlung des Volkes hinter einem starken politischen Herrscher.
Als der Feiertag am 4. November 2005 erstmals begangen wird,
sagt Putin über Minin und Posharski: Ihr Zusammenschluss sei ein Sieg der patriotischen Kräfte gewesen, ein vereinter Sieg aller gesellschaftlichen Kräfte zur Stärkung des Staates. Die Ereignisse von 1612 bezeichnet Putin als „Wiedergeburt des Vaterlandes“ und als Voraussetzung für „die Entstehung einer großen und souveränen Macht“. Er betont die Rolle des Volkes, der Menschen unterschiedlicher Nationalität und Konfession, die sich 1612 vereinten, um den westlichen Feind aus dem Land zu vertreiben. Auch in seinen folgenden Reden hebt Putin am 4. November stets die innere Geschlossenheit und die Stärke des Staates hervor.
Zugleich nutzt Wladimir Putin den 4. November, um die Erinnerung an das Ende der Smuta in Bezug zur Geschichte russländischer Staatlichkeit und Vaterlandsverteidigung zu setzen. So erfolgt auch die Einweihung des Denkmals für
Fürst Wladimir im Jahr 2016 am Tag der nationalen Einheit: Den Fürsten aus dem 10. Jahrhundert
bezeichnet Putin dabei als Begründer eines geeinten und zentralisierten Staates. 2019
verbindet Putin seine Rede am 4. November mit einem Ausblick auf den 2020 bevorstehenden
75. Jahrestag des Endes des Großen Vaterländischen Krieges. Diese historische Kontinuitätslinie ist in Russland erinnerungspolitischer Konsens: So wie Minin und Posharski und das von ihnen organisierte Volksaufgebot 1612 die katholischen Feinde aus dem Westen bezwangen, so besiegten russische Truppen 200 Jahre später im
Vaterländischen Krieg Napoleon und schließlich die Rote Armee im
Großen Vaterländischen Krieg NS-Deutschland. Auch heute beschwört das offizielle Russland immer wieder, sich gegen Feinde aus dem Westen verteidigen zu müssen.
Minin und Posharski sind mittlerweile in der russischen Öffentlichkeit omnipräsent. Rund um den Feiertag am 4. November werden in Moskau und vielen anderen Städten Plakate mit ihren Portrait saufgehängt. Und allerorten entstehen neue Minin-und-Posharski-Denkmäler: So wird 2005 in Nishni Nowgorod, der Heimatstadt Minins, eine Kopie des Denkmals vom Roten Platz aufgestellt. 2016 entsteht im Auftrag der
Russischen Militärhistorischen Gesellschaft gegenüber des Kreml ein riesiges, 25 Meter hohes Graffiti mit den beiden Helden.